Gemeindeversammlung: Schmerzhafte Einschnitte und neue Impulse
Gebäude müssen aufgegeben werden
Die evangelische Kirchengemeinde Rahden steht vor großen Veränderungen, die auch mit schmerzhaften Einschnitten verbunden sind. Dies wurde bei der Gemeindeversammlung deutlich, zu der das Presbyterium am 29. September 2022 eingeladen hatte. Nachdem Pfarrer Schulte die Versammlung eröffnet und die ca. 60 anwesenden Gemeindemitglieder begrüßt hatte, stellten er, Lena Heucher-Baßfeld, Brunhilde Meier und Gisela Kortenbruck die Situation der Gemeinde dar und zeigten auf, wie die Voraussetzungen für Gemeindearbeit in Rahden sich in den nächsten Jahren verändern werden: Die Größe der Gemeinde und die Zahl der Pfarrstellen wird ebenso deutlich abnehmen wie die zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Deshalb hat das Presbyterium beschlossen, die Weher Auferstehungskirche und die Tonnenheider Christuskirche ebenso aufzugeben wie das Paul-Gerhardt-Haus in Alt-Espelkamp. Bis Ende 2024 wird die Gemeinde die Häuser noch halten können. Dann müssen Anschlusslösungen gefunden sein.
"Wir wollen in den Ortschaften präsent sein."
Das Presbyterium reagiert damit auf aktuelle Entwicklungen und richtet sich neu aus, damit die Rahdener Gemeinde auch in Zukunft bei den Menschen sein kann. „Wir wollen uns nicht zurückziehen, wir wollen in den Ortschaften präsent sein,“ betonte Pfarrer Udo Schulte, der Vorsitzende des Presbyteriums, bei der Gemeindeversammlung, die im Rahdener Gemeindehaus stattfand. Doch die Nutzung der kirchlichen Räume wird sich in der Zukunft auf die St. Johannis-Kirche und das benachbarte Gemeindehaus konzentrieren müssen.
Die Gemeindegliederzahl sinkt seit Jahren.
Pfarrer Udo Schulte berichtete, dass in den Jahren bis 2050 damit zu rechnen ist, dass die evangelische Kirche in Westfalen um die Hälfte ihrer Mitglieder schrumpfen wird. Ursachen dafür sind der sog. demografische Wandel unserer Gesellschaft – es werden weniger Kinder geboren und getauft als Menschen bestattet. Hinzu kommt eine Entwicklung, die sich auch in Rahden feststellen lässt: die Zahl der Kirchenaustritte steigt stetig an. Dies hat u.a. auch Auswirkungen auf die Finanzen, mit denen die Rahdener Gemeinde planen kann; wobei nicht nur die Kirchensteuermittel zurückgehen, sondern durch steigende Preise gleichzeitig auch die Kaufkraft sinkt. Das führt dazu, dass die Kirchengemeinde in diesem Jahr bereits 50.000 Euro aus Rücklagen nehmen muss um die zu erwartende Deckungslücke im Gemeindehaushalt zu schließen. Solche Entnahmen müssen die Ausnahme bleiben, sonst ist die Gemeinde mit ihrer aktuellen Rücklage in Höhe von ca. 250.000 Euro bald nicht mehr handlungsfähig. „Wir haben leider keine Schätze,“ betonte Pfarrer Schulte in seinem Vortrag.
Die Gemeindearbeit in der Region Rahden (gemeint sind die Kirchengemeinden Rahden und Pr. Ströhen) verteilt sich so auf vier Pfarrstellen, aktuell besetzt mit Pfarrer Schulte, Pfarrerin Kortenbruck, Pfarrer Dr. Mettenbrink und dem Pfarrehepaar Heucher, die sich eine Stelle teilen. Zur Zeit unterstützt zusätzlich noch Pfarrer Hagen Schillig das Pfarrteam, was aber leider nur zeitlich begrenzt möglich ist. Schließlich ist damit zu rechnen, dass es im Jahr 2030 nur noch zwei Pfarrstellen in der Rahdener Region geben wird.
Ab 2025 Gottesdienste in der St. Johannis-Kirche
Sind wir aktuell im Hinblick auf die Pfarrpersonen in Rahden noch gut aufgestellt, sind erste personelle Engpässe schon jetzt für die Gemeinde spürbar. Lena Heucher-Baßfeld stellte fest, dass es in den letzten Jahren für Kantor Thomas Quellmalz immer schwieriger wird, alle Gottesdienste mit guter Kirchenmusik zu versorgen. Die Gemeinde muss hinnehmen, dass nicht alle Orgelbänke regelmäßig besetzt werden können.
Auch wenn die Zahl der Gottesdienste an manchen Predigtstellen schon jetzt zurückgehen wird, sollen alle Kirchen und Kapellen bis Ende 2024 in gewohnter Weise zu den wichtigen kirchlichen Feiertagen (z.B. Weihnachten, Ostern, Pfingsten sowie Erntedank, Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag) versorgt werden. In der St. Johannis-Kirche wird wöchentlich und an Feiertagen immer Gottesdienst gefeiert, an den anderen Predigtstätten wird es pro Jahr ca. 10 Gottesdienste geben. Ab 2025 wird sich das gottesdienstliche Leben auf Rahden und die St. Johannis-Kirche konzentrieren, weil sowohl die Gebäudesituation als auch die Zahl der dann noch vorhandenen Pfarrstellen (Ruhestand von Pfarrer Schulte und Pfarrerin Kortenbruck) dies nahelegen.
Als nächstes kam Presbyterin Brunhilde Meier darauf zu sprechen, was die beschriebenen Veränderungen für den Gebäudebestand der Gemeinde bedeuten. Schon seit Jahren hat die Gemeinde nicht mehr die finanziellen Mittel um die Gebäude angemessen zu erhalten und die dringend nötigen Reserven zu bilden. Ein Blick auf die Ausnutzung zeigt, dass nur die Räume des Rahdener Gemeindehauses wirklich genutzt werden. Bei der St. Johannis-Kirche kommt hinzu, dass sie als Baudenkmal ebenfalls zu erhalten ist.
Ein Blick auf die Zahlen und Analysen zeigt allerdings, dass die Gemeinde damit an ihre Grenzen kommt. Deshalb wird man sich schon bald von den übrigen Gotteshäusern trennen müssen: für die Auferstehungskirche, die Christuskirche und das Paul-Gerhardt-Haus müssen Ideen und Konzepte zur weiteren Nutzung entwickelt werden. Doch insbesondere für die Christuskirche und die Auferstehungskirche wird dies schwer werden, weil die energetische Situation und der Zustand der Gebäude auch einen Investor vor fast unlösbare Aufgaben stellen würde. Deshalb wird es für die beiden Gebäude in Tonnenheide und Wehe um die Aufgabe der Gebäude und um eine neue Nutzung der Grundstücke gehen. Im Fall des Paul-Gerhardt-Hauses in der Altgemeinde, das mit seinen 30 Jahren das modernste Gebäude der Gemeinde ist, möchte die Gemeinde mit möglichen Partnern und Interessenten ins Gespräch kommen. Erste Gespräche mit der Stadt Espelkamp bezüglich Paul-Gerhardt-Haus und mit der Stadt Rahden die beiden Kirchen im Ostbezirk betreffend haben bereits stattgefunden. Neben manchen anderen Fragen ist es der Gemeinde wichtig vor allem zu klären, wie für Trauerfeiern und Beerdigungen in den betroffenen Ortsteilen gute Lösungen gefunden werden können. Denn die Gemeinde will auch in Zukunft in Seelsorge und Verkündigung für ihre Mitglieder da sein.
Neue Gottesdienste für die Zukunft: Familienkirche, Jugendgottesdienste, digitale Kirche
Deshalb werden schon jetzt neue Impulse für die Gemeindearbeit der Zukunft gesetzt. Darüber berichtete Pfarrerin Lena Heucher-Baßfeld: Neue Gottesdienstformen gibt es schon. Am Erntedank-Wochenende startet die sog. „Familienkirche“, die sich in regelmäßigen Abständen samstags ab 17 Uhr an Familien mit Kindern wendet. Bereits seit ca. 2 Jahren gibt es Jugendgottesdienste, die von der Jugend der Gemeinde gern besucht werden. Dort ist die sog. „Kirchplatz-WG“ zu Hause. Menschen, die nicht zum Gottesdienst am Sonntagmorgen kommen können, sind eingeladen zu den digitalen Gottesdiensten, die sich wöchentlich neu auf dem Youtube-Kanal der Gemeinde finden. Aktuell wird dieses Angebot so weiterentwickelt, dass es auch für die Bewohnerinnen und Bewohner in den Alten- und Pflegeheimen der Gemeinde zugänglich sein wird.
Auch in der Konfirmandenarbeit wird es mit Beginn des nächsten Jahres Veränderungen geben, die gerade noch in Vorbereitung sind. Und bei der Kinderbibelwoche, die sich schon seit Jahren großer Beliebtheit erfreut und die am 10. Oktober startet, werden alle zur Verfügung stehenden Plätze besetzt sein.
"Wir wollen als Gemeinde zusammenwachsen!"
Abschließend richtete Udo Schulte im Namen des Presbyteriums den Blick in die weitere Zukunft: „Wir wollen als Gemeinde zusammenwachsen, sodass wir an EINEM Ort Gemeinschaft erleben können!“ Darum wird es in den nächsten Jahren gehen.
Pfarrerin Gisela Kortenbruck, die die anschließende Diskussion geleitet hatte, erinnerte zum Schluss an den Auftrag, den die Gemeinde in Christi Nachfolge bekommen hat: Beieinander zu sein, füreinander da zu sein und im Glauben an ihn in die Zukunft zu gehen. Sie schloss die Versammlung mit Gebet und Segen.